Zum Tode von Dr. Wolfram Keber (1930-2017)

21.12.2017 von AG
Abgelegt unter: Berichte  

Mit Dr. Keber hat uns eine der prägenden Lehrerpersönlichkeiten der Nachkriegszeit verlassen. Und das ist insoweit wörtlich zu nehmen, weil er als einer der ersten unbelastet vom Kriegsdienst in den Lehrberuf kam. Die Schüler spürten den neuen Wind und nahmen ihn dankbar an, wie man noch im FRIEDERIZIANER Nr. 202 nachlesen kann.

Dr. Keber stammte aus Minden und studierte in Münster und München Altphilologie. Promoviert wurde er 1957 mit einer Arbeit über „Platos Stellung zur Sparta-Ideologie“. Kein Zufall: Als für das neue Schulfach Politik dringend Lehrkräfte gesucht wurden, erwarb er zusammen mit seinem Griechisch-Kollegen Georg Gleditsch auch dafür die Befähigung. Oder sagen wir besser. wurde ihm seine Befähigung anerkannt. Es gab wohl wenige Schulen, in denen der Politikunterricht so bildungsgesättigt daher kam. Ich erinnere mich an sein dreistündiges Referat über die Grundlagen der Menschenrechte, das natürlich mit der Antigone begann. Das Wissen dieses Schuljahres trug mich sogar noch im Hauptstudium der Politikwissenschaft.

Auch in den beiden Festschriften zu den Schuljubiläen trat er profund hervor: 1965 philologisch in der Tradition der gymnasialen Jahresprogramme mit „Beobachtungen an einer Horaz-Ode“ und 1990 pädagogisch mit einem Vergleich „Latein und Griechisch am Friedrichs-Gymnasium zu Herford 1890 und 1990 – Streiflichter“.

Das umreißt sehr gut, was seine Schüler von ihm in Erinnerung behalten. Er besaß einmal immenses Fachwissen, geradezu die Beherrschung der alten Sprachen, was wir zuletzt in der Übersetzung des Festgedichts von 1840 sehen konnten, an dessen anspielungsreichen Text sich kein aktueller Lateinlehrer heranwagte (FRIEDERIZIANER 202 und 203). Dr Disep nannte ihn in einem Gespräch den gebildetsten Menschen, den er in seinem Bekanntenkreis kenne. Dazu kam seine musische Bildung, die er passiv und aktiv auslebte, gelegentlich auch in der Lehrerschola, die dem dreistimmigen Unterstufenchor den Bass gab.

Zum anderen gab es wohl kaum einen Kollegen, der bis zur Pensionierung derart akribisch seine Unterrichtsstunden vorbereitete. Seine entsprechenden DIN A5 Zettel sind legendär. Sein Kollege Walter Rausch erinnert sich dazu an eine unvergessliche Begebenheit: „Abiturentlassfeier. Ein Schüler spielt Dr. Keber hinter einem Schreibtisch sitzend. Er unterrichtet, ruft Schüler auf, ermahnt andere namentlich, macht Witze. Alle in der Aula denken, es wird eine Unterrichtsszene gespielt. Da klopft es, die Tür geht auf, eine Schülerin seine Frau spielend tritt auf die Bühne mit einer Kaffeekanne in der Hand und sagt: ‘Hier, Wolfram, ist Dein Kaffee. Du musst Dich nicht immer so intensiv auf den Unterricht vorbereiten!’ Im Saal wurde minutenlang gelacht.“

In der Tat gehörte der Witz als solcher zu ihm und seiner Pädagogik. Noch einmal sei Dr. Disep zitiert: „Ich kenne kaum einen Menschen, der so gerne Witze erzählt wie Herr Keber. Ich kenne aber auch kaum einen, der so gerne über seine eigenen Witze lacht wie er.“

Keine Stunde, in der er nicht (wohlvorbereitet, siehe oben) an der passenden Stelle einen Witz unterbrachte; einige waren allerdings so niveauvoll, dass wir nach der Stunde unseren Klassenprimus um Erläuterung baten.

Seine Liebe zur Sprache drückte sich auch dadurch aus, dass er gelungene und kreative Übersetzungen ausdrücklich forderte und anerkannte. Das Ringen um das Wort, und zwar in zeitgemäßes Deutsch, war ihm Anliegen, nicht das Kleben am Original. Obwohl wir ihn in der schwierigen Mittelstufe als Lateinlehrer hatten, schärfte er nachhaltig unsere Sinne für gute Sprache an sich. Darin sehe ich bis heute einen Hauptsinn von Latein und Griechisch.

Diese Verbindung von Fachwissen, gar Begeisterung für den Stoff, und dessen gelungene Vermittlung, dürfte wohl dem Ideal des guten Lehrers entsprechen. Beispiele lieferte er genug. Wie schafft man es, dass Schüler die griechische Hauchdissimilation behalten? Ernst Kronenberg erinnert sich: „Dr. Keber hat uns erklärt, dass ein griechischer Hund wegen der Hauchdissimilation niemals Fifi heißen kann, sondern nur Pifi / Πιφι. Zwei φ, also φιφι geht nicht. Seither hatte er den Namen Pifi Keber.“

Sein Fachkollege Dr. Wurm bewunderte seine Fähigkeit, die potentiellen Klippen in den Klassenarbeiten vorherzusehen. Entsprechend fragten ihn Kollegen um Rat, bevor sie bestimmte Texte stellten. Er selbst war da ganz bescheiden und sagten seinen Schülern: „Es ist immer so, dass man nicht weiß, was ihr nicht wisst.” Walter Rausch erinnert sich an zwei andere gelungene Formulierungen: „Er nannte den Elternsprechtag den Tag der mildernden Umstände. Und er war der Meinung, dass Schüler sechs Stunden guten Unterrichts an einem Vormittag gar nicht verkraften könnten.“

Nach dem Tod seiner Gattin zog er in die Nähe der Familie seines Sohnes bei München und nahm aktiv am Leben in der neuen Gemeinde teil. Seine Urne wurde am 17. November auf dem Südfriedhof seiner Heimatstadt Minden beigesetzt.

Dr. Wolfram Keber hat Spuren an unserer Schule und an uns Schülern hinterlassen. Dafür danken wir ihm. Und wir trauern mit seinen zwei Kindern und vier Enkeln.